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F.X.Kroetz u M.Th.Relin in München 2023 © Karin Rocholl

Monokel Bielefeld – Gegenwart trifft Vergangenheit

 

Gegenwart trifft Vergangenheit

Autorin Marie Theres Relin über das erste gemeinsame Buch mit Franz Xaver Kroetz

Die Schauspielerin, Autorin und Journalistin Marie Theres Relin (57) und der Regisseur Franz Xaver Kroetz (77) lernten 1987 einander kennen. Verliebt, verheiratet, geschieden seit 2006 – und nun? Jetzt ist das Ex-Paar zurück mit ihrem ersten gemeinsamen Buch „Szenen keiner Ehe“ (Verlag: dtv) über das, was ihnen am Herzen liegt. Im Interview erzählt Marie Theres Relin, was das ehemalige Paar heute verbindet, und was entzweit.

Frau Relin, wie ist es dazu gekommen, dass Sie zusammen mit ihrem Ex-Mann ein Buch geschrieben haben?

Marie Theres Relin:

Franz Xaver wollte seinen alten Mercedes E 190 von Teneriffa nach Deutschland holen. Ursprünglich wollte der die Reise mit einem unserer Kinder machen, die aber alle an Schulzeiten gebunden sind. Und so kam nur ich infrage, die sich auf das Abenteuer „Roadtrip mit Dichter à la Hemingway“ eingelassen hat. Es war Herbst und ich hatte keine anderen Projekte. Als wir dann in meiner Küche saßen, schlug ich ihm „Szenen keiner Ehe“ vor. Der Titel schoss mir wie ein Geistesblitz ins Hirn, und gefiel ihm. So schrieben wir von Anfang an täglich eine Seite. Wir kannten und beeinflussten nicht den Text des anderen und sandten auch das Manuskript separat zum Verlag. Dass aus unserer Reise 9 ½ Wochen wurden, haben wir dem Mechaniker zu verdanken, der uns 5 Wochen auf „mañana“ vertagte, bis das Auto endlich reisetauglich wurde.

Unsere Fahrt durch das winterliche Spanien war aufregend – Andalusien bei 7 Grad, ein etwas anderer Reisegenuss.

Der Status Ihrer Beziehung beim Start Ihres Buchprojekts war „keineswegs ein Herz und eine Seele“. Sie haben getrennt voneinander über die Paarbeziehung nachgedacht und schreiben von großen Gefühlen, Enttäuschungen, den schönen und schweren Momenten ihres Lebens. Haben Sie sich mit der Realisierung des Buchprojekts gewissermaßen beide in eine therapeutische Situation gebracht? Man sagt: „Distanz schafft Nähe“. Inwieweit trifft das auf ihr heutiges Verhältnis zu Franz Xaver Kroetz zu?

Marie Theres Relin:

Beide Texte könnten für sich alleine stehen. Franz Xaver ist Schriftsteller und Literatur ist sozusagen sein täglich Brot. So auch sein phantasievoller Pegasus. Viele Dinge, die er mir in den Mund legt sind erfunden. Dichtung und Wahrheit liegen ja nahe zusammen.

Ich bin mehr der Erzählertyp und zeichne die Geschichte einer Frau auf, die erst unabhängig ist, dann langsam wieder in alte Strickmuster zurückfällt – eben weil es die „Gewohnheit des Ex-Paarseins“ fordert – und sich schlussendlich daraus wieder befreit. Als ich beide Texte nebeneinander las, war mir klar: Es funktioniert.

Unser Verhältnis ist seit dem Buch ein Neues: Ich bin zur Kollegin aufgestiegen.

Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass wir gemeinsam ein Buch veröffentlichen, eine Lesereise machen und auf der Buchmesse sind, ich hätte demjenigen den Vogel gezeigt. Aber, das Leben steckt voller Überraschungen und eine Reise ist eine Herausforderung. Planen hätte man so ein Buch ohnehin nicht können.

In Ihrem Buch erwähnen Sie, dass sich Franz Xaver Kroetz „mit dem Alter plagt“. Hat sich Ihr Alter(n)s-Selbstbild und Ihr Alter(n)s-Fremdbild rückblickend in Bezug auf die damalige gemeinsame Kennenlernphase, auf die Ehe im Vergleich zu dem heutigen Verhältnis zu Ihrem Ex-Mann verändert?

Marie Theres Relin:

Ich denke, das Altern ist weder für Männer noch für Frauen ein Zuckerschlecken. Franz Xaver beschreibt das Altern ja schon seit Jahrzehnten in seinen Stücken und Büchern. Und ich erlebe es am eigenen Leib, die Wechseljahre läuten tatsächlich einen massiven Wechsel ein. Die wunderbare Künstlerin Louise Bourgeois weigerte sich ab dem 40. Lebensjahr einen Spiegel zu Hause aufzuhängen. Das Spiegelbild störe ihre innere Jugend. Und die alten Griechen wussten damals schon „jung sterben und das so spät wie möglich“. Ich kann mich glücklich schätzen, jung Mutter geworden zu sein. Mit 28 Jahren war ich dreifache Mutter, mit 49 schon Oma. „Oma sein“ lässt mich meinem Alter entsprechend jung werden. Das ist schön. Aber: das Alter(n) betrifft uns alle, da kommt keiner daran vorbei, auch wenn manche Ladys meinen, durch viele Schönheits-OPs-und-Trara den Alterungsprozess aufhalten zu können (die Hände verraten übrigens immer die ewig jungen Damen). Ich bin stolz auf meine Falten und mein Hüftgold. Beides hab ich mir regelrecht verdient, das darf man ruhig sehen. Das Wichtigste ist jedoch Gesundheit. Und drum wünsche ich mir das Gleiche wie die alten Griechen.

Sie engagieren sich als Gründerin der Internetplattform „Hausfrauenrevolu-tion“ und als Kulturinitiatorin (z.B. des Filmfestivals „Region 18“ und des preisgekrönten Inklusionsprojekts „Kino Frauen aller Kulturen“). Außerdem stehen Sie derzeit als erfolgreiche Schauspielerin in der Komödie UNGEHEUER HEISS im Theater im Rathaus Essen auf der Bühne (07.09. – 01.10.2023). Was steht für Sie beruflich als Nächstes an?

Marie Theres Relin:

Ich bin ein Tausendsassa und wenn es mir irgendwie möglich ist, kämpfe ich dafür, die Sprachlosigkeit zu durchbrechen, um gesellschaftlich zu verändern. Das gelingt mir manchmal im kleinen und manchmal im größeren Rahmen. Ich mag meine vielen verschiedenen Berufe! Es ist herrlich auf der Bühne zu stehen und Menschen zum Lachen zu bringen. Ich genieße es aber auch Menschen „mein Teneriffa“ zu zeigen oder meine Region18-Kinoevents zu organisieren. Schreiben ist wohl der schwierigste Beruf, der echolose Raum ist nicht leicht zu ertragen, aber wer weiß, was aus diesem Buch alles entstehen wird.

Kurz: Ich bin voller Ideen und lass mich überraschen, was als Nächstes kommt. Das Beste möge geschehen, was auch immer es sein möge. Und zwischenzeitlich genieße ich jeden schönen Moment.

 

Das Buch „Szenen keiner Ehe“ von Marie Theres Relin und Franz Xaver Kroetz erscheint am 02.10.2023, Verlag: dtv, ISBN: 978-3-423-28374-8, 352 Seiten, EUR 25,00 (DE) – EUR 25,70 (AT).

Interview: Brigitte Sdun

Foto: Karin Rocholl

Erschienen in Monokel Bielefeld Oktober / November 2023