Ist es im Leben so leicht? Zählen am Ende wirklich „Duschen und Zähneputzen“? Ja und nein. Robert Atzorn hat seinen wichtigsten Schauspieler-Tipp und den Titel seiner Lebensbetrachtung von einem anderen Großen seines Fachs genommen: dem Komödianten Theo Lingen. Der eine wie der andere weiß resp. wusste, dass etwas hart erarbeitet werden muss, damit es leicht ausschaut. Und so sind die scheinbar banalen Hygiene-Ratschläge auch als Chiffre für eine Haltung zu verstehen: Respekt sich selbst und anderen gegenüber, Bodenhaftung und Humor. Der im besten Fall die Fähigkeit zur Selbstironie einschließt. Atzorn hat den Rat beherzigt.
Seine Biografie, die er zu seinem 75. vorgelegt hat, liest sich leicht und häufig mit Schmunzeln, steckt voller Gefühle, ohne je gefühlig zu werden. Sie blättert ein Leben auf, dem es wahrlich nicht an Fallstricken fehlte, doch statt sich darin zu verheddern, hat sich Atzorn daran hochgezogen. Da ist der „fremde Vater“, der erst auftaucht, als der Junge schon fünf Jahre alt ist, der keine tragfähige Verbindung mehr herstellen kann und trotzdem den Herzenswunsch nach einem Schlagzeug erspürt und erfüllt. Da ist die erste „Kinderehe“, die nie eine echte Überlebenschance hatte. Unsicherheit und Selbstzweifel stehen neben einer Berufslaufbahn, die sich langsam und erst spät – wenn auch dann etwa mit „Oh Gott, Herr Pfarrer“, „Unser Lehrer Dr. Specht“ und als Kommissar im „Tatort“ und in „Nord Nord Mord“ umso durchschlagender – zu einer Karriere entwickelt.
Die Leserschaft bekommt Einblicke hinter die Kulissen, die sich nicht bloß in munteren Anekdoten über namhafte Kollegen und Kolleginnen erschöpfen. Im Gegenteil: Das bei vielen prominenten Autoren beliebte „name dropping“ hält sich angenehm in Grenzen. Hier erzählt ein Mensch aus seinem Leben, dessen Beruf eben Schauspieler ist – und nicht ein Schauspieler, dessen Leben Bühne und Filmstudio sind. Ein großer Unterschied.
Welch entscheidenden Anteil an dieser Vita Angelika Hartung – seit 1975 Angelika Atzorn – hat, beteuert und schildert der Autor nicht nur wiederholt. Es zeigt sich auch darin, dass die einstige Balletttänzerin und Schauspielkollegin vier Kapitel zum Buch beisteuert. Völlig anders aufgewachsen, unbekümmert und selbstbewusst ist sie die komplementäre Hälfte dieses Paars, das sein Leben mit zwei Söhnen so lebhaft und tatkräftig bewältigt, wie es die ursprüngliche Heimat im Norden mit der Herzensheimat Oberbayern austariert hat.
© Petra Grond für Passauer Neue Presse Dezember 2020
Robert Atzorn: „Duschen und Zähneputzen – Was im Leben wirklich zählt“, 272 S., 22 Euro, Eden Books,
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