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Wasserburger Zeitung – Utopia träumt vom Autokino

Kreative Wege aus der Corona-Krise: Utopia träumt vom Autokino Wasserburg

von Heike Duczek

Ein Autokino – hier in Dortmund – kann sich Utopia-Chef Rainer Gottwald auch für Wasserburg vorstellen. DPA

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Ein Autokino – hier in Dortmund – kann sich Utopia-Chef Rainer Gottwald auch für Wasserburg vorstellen. DPA

Geschäfte unter 800 Quadratmetern Verkaufsfläche dürfen am Montag wieder öffnen, Kinos, Theater und Konzertsäle nicht. Die Kultur ist der große Verlierer der Corona-Krise, bemängelt auch Rainer Gottwald, Geschäftsführer des Utopia. Doch er hat eine Idee: ein Autokino. Das feiert derzeit ein Revival.

Wasserburg – Autokinos erinnern an die 50er und 60er Jahre, als sie Kult waren. Die Fans kuschelten sich mit Popcorn und Cola auf die Sitze ihres Wagens oder aneinander – und verfolgten durchs Fenster oder im optimalen Fall vom offenen Cabrio aus den neuesten Hollywoodschinken. Heute heißen Autokinos „Drive-in“ – das nächste gibt es in München-Aschheim, derzeit jedoch ebenfalls wegen Corona geschlossen.

Gottwald kann sich vorstellen, auf dem Badria-Parkplatz, wo eigentlich das Frühlingsfest hätte stattfinden sollen, ein Autokino zu eröffnen. „Ich bin nicht abgeneigt, das Projekt anzupacken“, drückt der Kinobetreiber es vorsichtig aus, denn es gilt noch viele Hürden zu nehmen. Als möglicher Partner sitzt das Veranstaltungsunternehmen SAS mit im Boot, unter anderem bekannt als Betreiber der Eisbahn beim Wasserburger Christkindlmarkt.

Gottwald stellt derzeit ein Revival der Autokinos fest. Sie sind die Antwort auf die Corona-Krise, die viele Kinos existenziell bedroht, weil es nach wie vor keine Aussicht auf Wiedereröffnung gibt. In NRW, Hessen und Baden-Württemberg haben viele Kinobetreiber umgesattelt – und die Filmfans statt in den Kinosaal auf große Parkplätze eingeladen.

Hoffen auf Ausnahmegenehmigung

Gottwald hofft auf ein Umdenken beim Freistaat und auf Ausnahmegenehmigungen. Denn organisatorisch wäre das Projekt Autokino Wasserburg vermutlich zu stemmen, zeigt er sich zuversichtlich. Die Leinwand ist bereits da, denn für das Utopia-Open-Air-Kino am Stoa gibt es sie schon. Gottwald muss außerdem eine UKW-Frequenz beantragen. Bargeld- und kontaktlos die Tickets bezahlen: Auch das sei technisch möglich.

Gottwald hofft, dass eine Realisierung möglich wird. 40 bis 50 Pkw könnte der Badria-Parkplatz aufnehmen, „es muss ja nicht gleich ein Riesending werden“, sagt er.

Seine zweite große Hoffnung: eine Genehmigung für das Freiluftkino Am Stoa. Es ist nach seinen Angaben für 1000 Personen zugelassen, „wenn wir pro Vorstellung nur bis zu 250 Personen reinlassen würden, könnten wir dort die Mindestabstände gut einhalten“, ist er überzeugt. 2019 besuchten 8000 das Freiluftkino. Im Rekordsommer 2018 waren es sogar 11 000. Etwa 32 000 Besucher im Jahr verzeichnen die Säle im Utopia-Kino in der Herrengasse.

Betriebswirtschaftlich gesehen sind die Sommeraufführungen am Stoa der Bringer, denn hier kann auch mit Getränken und Popcorn sowie weiteren kulinarischen Angebotem Zusatzgewinn gemacht werden. Das Open-Air-Festival ist schon in Vor-Corona-Zeiten wichtig gewesen für das Geschäft, denn Kinos leiden nach Erfahrungen von Gottwald vor allem im Frühjahr und Sommer unter mangelnder Resonanz. Die vergangenen trockenen Sommer haben die Menschen eher in die Biergärten und an die Seen gelockt als in den Kinosaal, stellt Gottwald außerdem fest.

Open-Air-Kino am Stoa: Das Utopia hofft, dass es im Sommer unter eingeschränkten Rahmenbedingungen doch stattfinden kann. Hampel

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Open-Air-Kino am Stoa: Das Utopia hofft, dass es im Sommer unter eingeschränkten Rahmenbedingungen doch stattfinden kann. © Hampel

Er geht davon aus, dass die Kinos in der Corona-Krise auch Publikum verloren haben, das so schnell nicht wieder in die Lichtspielhäuser zurückkehren wird – in den vergangenen vier Wochen haben viele das Streamen entdeckt und die Homekino-Angebote schätzen gelernt. Solange es keinen Impfstoff oder keine Medikamente gibt, geht Gottwald auch davon aus, dass Kinofans aus Risikogruppen den Cinemas fern bleiben.

Warten auf den neuen Eberhofer-Krimi und den neuen Bond

Schwierige Zeiten also für Lichtspielhäuser. Dabei könnten sie die Einhaltung der Hygieneregeln durchaus organisieren, ist Gottwald überzeugt. Buchungen nur über das Internet, längere Pausen zwischen den Vorstellungen, damit sich Besucher, die ankommen und solche, die das Haus verlassen, nicht begegnen, große Lücken in den Sitzreihen: Das ließe sich managen. „Je länger es dauert mit den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, desto wichtige wird es, mal wieder für Ablenkung zu sorgen“, findet er. Der Kultur komme in der Corona-Krise, obwohl kaum jemand ein Wort über sie und ihre Rettung verliere, eine große Bedeutung zu. Sie tue den Menschen gut, bringe sie auf andere Gedanken, liefere Ansätze, mit der Krise umzugehen.

Gute Kinofilme stehen außerdem in den Startlöchern: der neue Rita-Falk-Krimi mit Polizist Eberhofer beispielsweise, der neue Bond – und natürlich der „Heimatfilm“ des Jahres „Mit dem Rückwärtsgang nach vorn“, vom jungen Kultregisseur Sebastian Schindler aus Soyen.

Mehrfach ausgezeichnetes Kultkino

Gottwald würde sie gerne alle spielen – im 26. Jahr seines Kinos, das das schwierigste in der Geschichte der Kultureinrichtung ist. Das Utopia ist Kult in Wasserburg: Mehrfach ausgezeichnet wurde es für den Mut, nicht nur die gängigen internationalen Blockbuster zu zeigen, sondern auch Filmproduktionen mit gehobenem Anspruch. Auch für das Filmfestival „Region 18“ und das Kino Frauen aller Kulturen“ von Schauspielerin Marie Theres Kroetz Relin fanden im Utopia eine Bühne.

Dass die Fans dem Kino die Treue halten, zeigt auch die Tatsache, dass viele Gutscheine gekauft werden. Auch sie könnten im Autokino eingelöst werden.

 

© Erschienen in der Wasserburger Zeitung am 22. April 2020.