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OVB – Wasserburger Zeitung – „Mami, wir schenken dir eine Straße“

„Mami, wir schenken dir eine Straße“ – An Maria Schells 94. Geburtstag ehrt Wasserburg den Weltstar

Sie war eine der wenigen deutschsprachigen Weltstars mit Erfolgen in Hollywood – und Wasserburgerin: Maria Schell lebte hier drei Jahrzehnte in einer Villa in Heberthal und holte sogar Weltstars wie Liz Taylor nach Wasserburg. Am Mittwoch, dem 15. Januar, ist ihr eine besondere Ehre zuteil geworden.

Wasserburg –„I hätt‘ dich gleich erkannt. I bin jetzt da Bürgermeister vo Wasserburg“, sagt Michael Kölbl in der neuen Maria-Schell-Straße in Reitmehring, als er Oliver Schell die Hand zur Begrüßung schüttelt. Der Sohn der berühmten Schauspielerin, die am 15. Januar auch ihren 94. Geburtstag gehabt hätte, staunt nicht schlecht, als er bei der Straßeneinweihung zu Ehren seiner 2005 verstorbenen Mutter, die 30 Jahre mit der Familie in Wasserburg lebte, auf seinenalten Schulkameraden trifft. Er und Kölbl haben zusammen am Wasserburger Gymnasium die Schulbank gedrückt.

„Ja, genau. Jetzt, wo ich dein Gesicht seh, erinner‘ ich mich“, lacht Oliver Schell (58), der als Schauspieler in die Fußstapfen seiner berühmten Mutter getreten ist. Wie auch seine Halbschwester Marie Theres Kroetz-Relin, die außerdem als Autorin und Journalistin tätig ist und inzwischen wieder in Wasserburg wohnt.

Kölbl und Schell sind zusammen zur Schule gegangen und freuten sich über das Wiedersehen nach so vielen Jahren. © Foto Klemm

 

Familientreffen unterm neuen Straßenschild

Die Einweihung der Straße im Neubaugebiet von Reithmehring wird zu einem kleinen Familientreffen mit großem öffentlichen Interesse. Mit der Maria-Schell-Straße hat Wasserburg als erste Deutsche Stadt dem Weltstar, der 30 Jahre in einer Villa in Heberthal – das nur einen Kilometer vom enthüllten Straßenschild entfernt ist – eine besondere Ehre zu Teil werden lassen. Neben der Elise-Kosak-Straße und der Käthe-Braun-Straße ist mit der Maria-Schell-Straße nun der dritte Frauenname im Wasserburger Straßenverzeichnis verewigt.

„Da ist nach Luft nach oben“, findet Schells Tochter Marie Theres, die sich sehr über die Widmung freut. „Mami, wir schenken dir eine Straße zum Geburtstag“, sagt sie in ihrer kurzen Ansprache bei herrlichem Wetter. Im Hintergrund duftet schon der Grillstand, der später für das leibliche Wohl sämtlicher Gäste, darunter Zeitzeugen, die Anwohner, die neuen Bauwerber, die Handwerker sowie Vertreter der Stadt, sorgt, bevor es im Café Central (Bericht folgt) weiter zu den Zeitzeugengesprächen geht und im Utopia die „Pfarrhauskomödie“ gezeigt wird.

Festival „Region 18“ startet 

Mit dem Film, der viel Lokalkolorit bietet und in dem auch bekannte Wasserburger wie Alex Hatzl und Willi Reichert sowie Maria Schells Kinder Marie Theres und Oliver mitgewirkt haben, startet eine zweiwöchige Retrospektive im Rahmen des „Festivals Region 18“ mit Maria-Schell-Filmen in den Kinos Wasserburg, Prien, Trostberg und Bad Reichenhall.

 

Sandra Chawla-Gantenbein (roter Mantel) vom Schweizerischen Generalkonsulat platzte in die Rede von Bürgermeister Michael Kölbl (links), weil sie sich verspätet hatte. Das störte die gute Laune nicht. Im Hintergrund lachen Marie Theres Kroetz-Relin (rechts) und ihr Sohn Ferdinan Kroetz. © Foto Klemm

Weil Maria Schell neben der österreichischen ebenso die Schweizer Staatsbürgerschaft besaß, ist auch Sandra Chawla-Gantenbein vom Schweizerischen Generalkonsulat eingeladen. Sie verspätet sich. Kölbl fragt gut gelaunt in die Menge, „ist zufällig eine Konsulin hier?“ Wenige Minuten später trifft sie ein und platzt schüchtern in Kölbls Ansprache.

Die Schell-Familie bittet sie zu sich, um auf dem Maria-Schell-Bankerl, das noch verhüllt ist, Platz zu nehmen. „Na, wenn eine Konsulin das Protokoll stört, dann ändern wir es doch gleich und enthüllen die Bank jetzt“, so Bürgermeister Kölbl, der dies gemeinsam mit Oliver Schell übernimmt.

© Foto Klemm

Mehr Platz für Wasserburger Bürger 

Kölbl stellt auch das neue Baugebiet vor. „Es kommt nicht so oft vor, dass wir eine neue Straße einweihen. Die Stadt konnte 2015/2016 das Areal von rund 8300 Quadratmetern Nettowohnbauland von vier Familien als Bauerwartungsland erwerben und „südlich der Schmiedwiese“ entwickeln. Die Vergabe der 21 Parzellen erfolgte nach einem Punktesystem, das Einheimische berücksichtigt und etwa ihr soziales Engagement.

Die Vergabe der Grundstücke entschied der Stadtrat. Vorgabe ist flächensparendes Bauen und der natürliche Geländeverlauf ist zu berücksichtigen. „Wir wollten günstiges Bauland für Wasserburger. Die Stadt gibt die Kosten 1:1 weiter, erzielt keine Gewinne. So können wir einen Quadratmeterpreis von 155 Euro zuzüglich Erschließungskosten anbieten. Das ist ein sehr sozialer Preis“, so der Bürgermeister.

Dass man sich bei der Widmung für den berühmten Namen Maria Schell entschieden habe, sei ganz einfach: „Sie hat es sich verdient als weltbekannte Schauspielerin und sie hatte hier 30 Jahre ihren Lebensmittelpunkt“, so Kölbl, der auch an Schells große Erfolge und ihre Filme mit Hollywoodstars wie Gary Cooper, Glenn Ford und etwa Yul Brynner erinnerte. In den 1970er Jahren war sie im deutschen Fernsehen zu sehen, etwa in „Derrick“, „Tatort“ und „Der Kommissar“. Ihr letzter großer Publikumserfolg war die Fernsehserie „Die glückliche Familie“ (1987 bis 1991).

Dieses zeigt Marie Theres Kroetz-Relin mit ihrem Bruder Oliver Schell (rechts) und Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl. Kölbl und Schell sind zusammen zur Schule gegangen und freuten sich über das Wiedersehen nach so vielen Jahren.  © Foto Klemm

Viele Anekdoten rund um Maria Schell

Zahlreiche Preise heimste Maria Schell ein: Achtmal den Bambi, die Coppa Volpi der Filmfestspiele von Venedig, den Deutschen Filmpreis sowie das Bundesverdienstkreuz. Anlässlich des zehnten Todestages widmete die Österreichische Post ihr eine Sonderbriefmarke. Von ihrem Schauspielerkollegen Oskar Werner erhielt sie den Spitznamen „Seelchen“, der ihr zeitlebens missfiel. Weil die Schauspielerin viel unterwegs war, hatten die Kinder „Ziehmamis“, wie Marie Theres Kroetz-Relin berichtet. Sie dankt Luitgard und Helmut Heinzl und deren Tochter Angelika, ihrer besten Freundin. „Wenn ich bei denen ins Haus komme, ist das wie daheim ankommen. Da war meine Kindheit“, sagt die 53-Jährige. Auch die Sekretärin der Mama, Gertrud Rother, war für sie da, ebenso Bärbel Englert, die Frau des Hausarztes von Maria Schell.

Dieses zeigt Marie Theres Kroetz-Relin mit ihrem Bruder Oliver Schell (rechts) und Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl (links) bei der Enthüllung des Straßennamens in Reitmehring/Wasserburg. © Foto Klemm

Beim Empfang nach der Straßeneinweihung im Café Central kamen Zeitzeugen zu Wort. Um 18 Uhr startet zu Ehren der Mutter von Marie Theres Kroetz Relin auch eine Retrospektive im Rahmen des Festivals Region 18 mit Maria-Schell-Filmen in Wasserburg, Prien, Trostberg und Bad Reichenhall. Das Wasserburger Utopia zeigt unter anderem „Die Pfarrhauskomödie“.

Bis zum 28. Januar werden dann in vier Kinos der Region 18 – darunter auch das Utopia in Wasserburg und Mike’s Kino in Prien – Filme von Maria Schell gezeigt.

 

© Andrea Klemm für OVB – erschienen in der Wasserburger Zeitung am 16.01.2020 – alle Fotos Straßeneinweihung © Andrea Klemm OVB 

 

Erstmeldung 13. August 2019: 

Drei Jahrzehnte in der Hollywood-Villa

Für Marie Theres Kroetz Relin, selber Schauspielerin, ist es eine späte Genugtuung, dass ihrer Mutter in Wasserburg diese Ehre zuteil kommt. Denn in Deutschland ist Maria Schell, die 1954 Marilyn Monroe die Hauptrolle in „Die Brüder Karamasow“ wegschnappte, mit dem Film „Gervaise“ für den Oscar nominiert und bei den Filmfestspielen in Cannes 1954 als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde, etwas in Vergessenheit geraten.

Dass der Mythos ihrer Mutter schon zu Lebzeiten bröckelte, mag an der Tatsache liegen, dass Schell zehn Jahre lang bis zu ihrem Tod im Jahr 2005 bettlägerig war, folgert die Tochter. Ihr Onkel Maximilian, ebenfalls ein Weltstart, thematisierte ihre Erkrankung in seinem Dokumentarfilm „Meine Schwester Maria“. Marie Theres Kroetz Relin findet bis heute, dass dieser Film der Mutter geschadet hat. Maria Schell war, so die Tochter, manisch-depressiv – eine „Erkrankung, die einer Naturgewalt gleicht“ und 16 kleine Schlaganfälle ausgelöst habe, die sie jahrelang ans Bett gefesselt hätten.

Holt die Stars in die Kinos der Region 18: Marie Theres Kroetz Relin (Zweite von rechts), hier mit Kinobetreiber Christoph Loster (Stadtkino Trostberg), Katja Ebstein sowie Regisseur Hans Steinbichler (rechts), der den letzten Film mit Hannelore Elsner („Hannes“) gedreht hat. Region 18

+ Holt die Stars in die Kinos der Region 18: Marie Theres Kroetz Relin (Zweite von rechts), hier mit Kinobetreiber Christoph Loster (Stadtkino Trostberg), Katja Ebstein sowie Regisseur Hans Steinbichler (rechts), der den letzten Film mit Hannelore Elsner („Hannes“) gedreht hat. © Region 18

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Anfang der 1990er Jahre zog Maria Schell aus der „Hollywood-Villa“, wie das Wasserburger Haus im Volksmund genannte wurde, aus. 1962 war hier Sohn Oliver geboren worden. Nach der Scheidung von dessen Vater, dem Regisseur Horst Hächler, heiratete Maria Schell Regisseur Veit Relin – eine Ehe, aus der Marie Theres Kroetz Relin stammt. Auch diese Beziehung scheiterte.

„Meine Mutter war gerne ein Weltstar“

Das Leben von Maria Schell war glamourös und schwer zugleich. Erkrankungen und Schicksalsschläge gehörten ebenso dazu wie große Erfolge im Film und Fernsehen sowie auf der Bühne. Auch die Tochter erlebte die zwei Seiten der Maria Schell, eine gebürtige Schweizerin und Österreicherin. Zeigte sie sich in Wasserburg, bildeten sich oft Menschentrauben um die Berühmtheit. In den 1950er Jahren wurde Maria Schell von ihren Fans geradezu hysterisch verehrt. „Meine Mutter war gerne ein Weltstar. Sie war zu jedem nett, selbst zu den schlimmsten Autogrammjägern“, erzählt die Tochter. „Mami, Du kennst aber viele Menschen“, sagte die Dreijährige zu ihr einmal bewundernd, nachdem beim Spaziergang mit der Mutter Menschen aus einem Bus angestürmt kamen, um ihr ehrfürchtig die Hand zu schütteln.

Liz Taylor einen toten Fisch ins Bett gelegt

In der Wasserburger Villa gingen die Prominenten ein und aus – für Marie Theres Kroetz Relin ein ganz normaler Vorgang. Sie erinnert sich noch daran, dass Liz Taylor in Wasserburg zu Besuch war – und die Mama ihr aus Spaß einen toten Fisch ins Bett legte. „Liz hat vor Schreck laut gekreischt“, berichtet die Tochter lachend. In Frankreich war ihre Mutter die „Grande Maria Schell“, in Hollywood, wo sie mit den ganz Großen wie Gary Cooper und Yul Brynner drehte, ebenfalls ein Star. Das blieb sie auch, selbst als sie sich aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Maria Schell und O. W. Fischer während den Dreharbeiten zum Film „Das Riesenrad“ 1961.

+ Maria Schell und O. W. Fischer während den Dreharbeiten zum Film „Das Riesenrad“ 1961. © Georg Göbel/dpa

Aus der Berühmtheit wurde das „Seelchen“

In Deutschland allerdings wurde aus der Weltberühmtheit in ihren letzten Jahren „das Seelchen“. Ob die Fernsehserie „Die glückliche Familie“ (gezeigt von 1987 bis 1991), in der sie eine stets fröhliche Mutter darstellte, eine Rolle gespielt hat? Die Tochter weiß es nicht. Sie stellt nur fest, dass aus der großen Schauspielerin verniedlichend das Seelchen wurde und die großen Erfolge ihrer Mutter hinter der Person, die in den letzten zehn Jahren schwer erkrankt war, zurücktraten.

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Die Straßenbenennung nach Maria Schell –sieht die Tochter deshalb auch als Chance, dem Weltstar eine Retrospektive zu widmen. Im Rahmen ihres Kinoprojektes „Region 18“, das Stars in vier Programmkinos der Region holt, möchte Marie Therese Kroetz Relin auch die großen Filme ihrer Mutter zeigen.

Dazu gehören „Die letzte Brücke“ (1954), „Die Ratten“ (1955), „Gervaise“ (1956) ebenso wie „Der Besuch der alten Dame“ (1982) oder „1919,“ ein Film, der in Deutschland noch nie gezeigt wurde. Indem sie auswählt, was nach ihrer Meinung am besten das Lebenswerk ihrer Mutter charakterisiert, erzählt Marie Therese Kroetz Relin nicht nur viel über Maria Schell, sondern auch über sich.

Die Tochter holt die Stars nach Wasserburg

Das ist das Grundprinzip ihrer Filmreihe „Region 18“. Sie legt Stars wie Autor, Produzent und Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt, der am 30. Januar ins Utopia nach Wasserburg kommt, oder Promi-Fotografin Ingeborg Bock-Schröder, Sängerin Katja Ebstein, Regisseur Hans Steinbichler und Dramatiker sowie Schauspieler Franz Xaver Kroetz in vier Programmkinos in Wasserburg, Trostberg, Prien und Bad Reichenhall den roten Teppich aus – und lässt sie ihre Lieblingsfilme präsentieren. Das müssen nicht die eigenen, sondern können auch Werke anderer Regisseure oder Schauspieler sein.

Marie Theres Kroetz Relin dreht „Watzmann ermittelt“

Die Tochter von Maria Schell steht übrigens selber immer wieder vor der Kamera: Aktuell beim Krimi „Watzmann ermittelt“, bei dem sie eine Wirtin darstellt und an der Seite von Andreas Giebel dreht. Sie schaut der Mutter, deren strahlende Augen sie geerbt hat, sehr ähnlich – und ist doch ganz anders: Marie Theres Kroetz Relin ist keine Diva, sie ist bodenständig, mit Leidenschaft bei der Sache, wenn es um ihre Projekte geht, jedoch ohne jegliche Starallüren.

Als Tochter einer Weltberühmtheit hatte sie es auch in Wasserburg, wo sie am Gymnasium zur Schule ging, nicht leicht. Sie heiratete jung, mit 21, gab für eine weitere Berühmtheit, den Dichter Franz Xaver Kroetz, eine vielversprechende Schauspielkarriere auf, wurde Mutter von drei Kindern – und ist jetzt mit 53 viel beschäftigte Schauspielerin, Autorin, Journalistin, PR-Frau, Kinoexpertin, Projektmanagerin – und vor allem auch: Oma sowie leidenschaftliche Wasserburgerin.

Zeitzeugen gesucht

Selber ganz ohne Starattitüde, holt sie lieber für ihr Kinoprojekt „Region 18“ die Stars aufs Land und in die Stadt – und schreibt ein Büchlein über die Mutter, die hier ein Star war. Dafür sucht Marie Theres Kroetz Relin Zeitzeugen aus Wasserburg, die sich noch an Maria Schell erinnern können.

Aus ihren Erzählungen, untermalt mit Bildern, möchte sie ein Buch zur Wasserburgerin Maria Schell herausgeben. Leser der Wasserburger Zeitung, die einen Beitrag liefern möchten, schreiben an redaktion@wasserburger-zeitung.de. Wir leiten die Beiträge an Maria Schells Tochter weiter.