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Die Rheinpfalz – Mehr Wertschätzung fürs „schwache Geschlecht“

von Astrid Dornbach

In Kaiserslautern ist Marie Theres Relin keine Unbekannte. Die Schauspielerin und Autorin hat durch ihr Projekt „Kino Frauen aller Kulturen“ auch in der Pfalz enge Kontakte geknüpft. Am morgigen Donnerstag läuft die Initiative zum vierten Mal. RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Astrid Dornbrach sprach mit der 56-jährigen Tochter von Maria Schell über die Dringlichkeit, Frauen im Leben wie im Film stärker wahrzunehmen.

Das von Ihnen erdachte „Kino Frauen aller Kulturen” läuft nun schon seit 2017. Bewirkt es, das, was Sie sich vorgestellt haben? Welches Feedback bekommen Sie?

Es bewirkt weit mehr, als ich mir erhofft hatte – nämlich Frauen aus unterschiedlichsten Kulturen gemeinsam ins Kino zu holen und menschlich zusammen zu bringen. Es sind Freundschaften entstanden – Kinder aus Flüchtlingsfamilien haben eine Oma gefunden. Besonders gut hat das auch in Kaiserslautern funktioniert – da hat etwa eine Deutsch-Russin eine Ukrainerin mit ins Kino gebracht. Es geht um Inklusion, nicht nur Integration. Auch ich selbst habe in der Pfalz tolle Kontakte gefunden, etwa mit Ursula Simgen-Busch, der Betreiberin des Provinzkinos. Das sind schöne Erfahrungen und deshalb werde ich auch im Februar 2023 wieder hier sein, mit einer Lesung mit Texten von Thomas Mann in der Fruchthalle.

Sie setzen sich dafür ein, dass Schauspielerinnen jenseits der 50 gute Rollen, überhaupt Rollen im deutschen Film bekommen. Woran liegt das, dass Frauen in der Altersgruppe im Film kaum präsent sind?

Das liegt an dem Schubladendenken in Deutschland – das ist hier besonders ausgeprägt. Es sind altbackene Ideen und Vorstellungen, über die man nicht hinaus kommt. Das fängt schon bei Begrifflichkeiten an, die die Frauen in Kategorien einteilen – die Hausfrau, die Karrierefrau, die Rabenmutter, die Schlampe. Weshalb zeigt man im Film nicht einmal eine junge Oma, die ihr Leben lebt, Freude hat – als Vorbildfunktion? Meine Enkelin ist sieben und ich bin eine solche Oma. Aber nein – lieber besetzt man eine 35-Jährige mit der Rolle einer Älteren und die Maske schminkt sie dann um Jahrzehnte älter. Es liegt wohl auch daran, dass man Frauen nicht genug wertschätzt. Ein Mann kann auch mit Hängebauch noch Charisma haben – einer Frau, die nicht perfekt ist, spricht man das ab. Die Funktionäre von ARD und ZDF bestimmen, wen oder was die Zuschauer zu sehen bekommen.

Wie sieht es in den hierzulande gedrehten Filmen selbst aus – spiegeln die die Realität, mit ihren Problemen wider?

Es geht leider selten darum, die Wirklichkeit zu zeigen, die Probleme, mit denen Frauen zu kämpfen haben – zum Beispiel die Situation Alleinerziehender oder die vielen, gerade älteren, Frauen, die jenseits der Armutsgrenze existieren. Da wird eine andere, glattere Realität erschaffen. Aber es gibt in Deutschland und Österreich auch sehr gute neue Filme, die da viel tiefer gehen. Sehr gut gefallen hat mir der Film von Marie Kreutzer „Corsage”. Da geht es um die Kaiserin Sisi als Vierzigjährige.

Ist das nicht in Frankreich anders? Dort spielen Darstellerinnen wie Catherine Deneuve oder Isabelle Huppert in weit höherem Alter herausfordernde Rollen, jenseits von Klischees.

Vielleicht wertschätzt man die Frauen dort mehr, vielleicht geht es auch um die Vielschichtigkeit der Gesellschaft. Schauspieler werden in Frankreich überhaupt mehr unterstützt. Die Darsteller und Darstellerinnen sind innerhalb der Organisation Assédic abgesichert.

Haben Sie den Eindruck, die Rolle der Frau ist – auch bei uns – wieder rückschrittlich? Und was kann man dagegen tun?

Auf jeden Fall. Im Grunde braucht man nur eines zu tun – umsetzen, was im Grundgesetz steht: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Und zwar auf jeder Ebene des Lebens. Weil wir davon aber noch weit entfernt sind, müssen alle Frauen zusammen halten, um dafür zu kämpfen. Mich selbst betrifft das insofern, als ich über 18 Jahre hinweg meine drei Kinder groß gezogen habe und mir per Stand jetzt nur eine minimale Rente bleibt. In Corona fiel etliches flach, darum habe ich für ein Reiseunternehmen individuelle Teneriffa-Reisen kreiert und mir somit ein weiteres Standbein geschaffen.

 

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Stichwort: Kino Frauen aller Kulturen

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@ Astrid Dornbach – erschienen in DIE RHEINPFALZ am 03. August 2022