Zeitlang nach Oberbayern
NDR-Talker und Autor Hubertus Meyer-Burckhardt auf Lesetour in der Region 18
Bad Reichenhall/Trostberg. Vier Städte, vier Kinos, ein Entertainer – und vier recht unterschiedliche Veranstaltungen. Produzent, Autor und NDR-Talker Hubertus Meyer-Burckhardt war nach Südostbayern gekommen, um mit Menschen in Wasserburg, Trostberg, Bad Reichenhall und Prien über „Diese ganze Scheiße mit der Zeit“ nachzudenken. So der Titel seines fünften Buchs. Einen „Brachialseufzer“ hatte Schriftstellerin Ildiko von Kürthy die derbe Ausdrucksweise genannt. Und brachial war das Ereignis, das dieses Buch fast verhindert hätte: zwei Karzinome, bei einer Routinekontrolle entdeckt. Doch Meyer-Burckhardt (63), belesen, höflich, nach eigenen Worten in all seinem beruflichen Tun der Unterhaltung seines Publikums verpflichtet, verband nach kurzer Schockstarre beide Themen – was seinem Text neben Lebenslust und heiterer Lebensbetrachtung mehr Persönliches und Tiefe verlieh.
In die Region 18 hat ihn Marie Theres Kroetz Relin gelockt, die sich vorgenommen hat, „die Stars aufs Land“ zu holen. Sie und Hubertus Meyer-Burckhardt kennen sich schon seit den frühen 80er- Jahren, nun nutzte der mehrfache Grimme-Preisträger die Gelegenheit gleich zu einem Interview mit der Schauspielerin für seine Radioreihe „Frauengeschichten“. Kroetz Relin sorgt zudem umsichtig dafür, dass ihr heftig von einer Erkältung geplagter „Star“ sein anspruchsvolles Projekt von vier Lesungen in zwei Tagen dank Ingwer- und Thymiantee, im Laufe des Abends auch einem Glas Wein, sowie ausgeklügelter Logistik erfolgreich bestreiten kann. Es ist auch ein wenig Zeitlang nach Oberbayern, die den gebürtigen Kasseler mit Wohnsitz in Hamburg in den Süden brachte. Schließlich hat er nicht nur etliche Jahre in München erst studiert und später als Produzent gearbeitet, sondern schon als kleiner Bub mit seinen Eltern die Ferien wiederholt in Bayerisch-Gmain und Großgmain verbracht. „Es war die erste internationale Grenze meines Lebens. Und dass die Straßenmarkierungen bei uns weiß, in Österreich aber gelb waren, hat mich damals schwer beeindruckt“, erzählt er nicht ohne Nostalgie. Es war die Zeit, als der Sechs- bis Achtjährige die Eltern noch ohne Streit erlebte. Mit zwölf wird er den prügelnden Vater hinauswerfen. Er erzählt es, um Mädchen, Jungen, Ehefrauen, die das gleiche Schicksal teilen, Mut zu machen. Die Stunden vor der Lesung in Reichenhall nutzen er und Marie Theres Kroetz Relin zudem zu einem kurzen Abstecher in die Saline und zum Gradierwerk – und damit zu einer weiteren Zeitreise.
Die Lesung im Wasserburger „Utopia“ ist von „Arbeitsbedingungen“ geprägt, „die ich so auch noch nicht erlebt habe“, namentlich einem höchst unbequemen Barhocker und ohne die Möglichkeit einer vorherigen Tonprobe. Meyer-Burckhardt verweist wiederholt darauf hin, charmant, aber gnadenlos, und hat das Publikum sofort auf seiner Seite. Auch im Stadtkino Trostberg muss er sich mit einem Barhocker begnügen, immerhin mit einer etwas bequemeren Variante, auf der er dank der Bühne auch noch in den hinteren Reihen zu sehen ist. Ganz anders nun im Park-Kino Reichenhall und am Abend in Mike’s Kino in Prien. Hier weiß man, was man dem Gast schuldig ist, verbindet Professionalität mit Herzlichkeit. Was dem Autor wie dem Publikum zugute kommt, das gebannt mitgeht. Meyer-Burckhardt liest die gleichen Passagen aus seinem Buch, garniert sie aber jeweils mit unterschiedlichen Anekdoten und Zitaten, von Woody Allen („Lebensplanung ist das Ersetzen von Zufall durch Irrtum“) bis zu Ulla Meinecke („Anti-Aging ist so intelligent wie eine Katzenklappe im U-Boot“), von Kästners „Sachlicher Romanze“ bis zum jüdischen Witz. Die gut 500 Besucher, die Meyer-Burckhardt in diesen zwei Tagen erreicht, danken es ihm mit „Zugabe“-Rufen, mit kleinen Geschenken und sehr persönlichen guten Wünschen sowie mit dem Kauf seines Buchs, das er, egal unter welchem Zeitdruck, sorgfältig signiert und mit einem zugewandten Blick und freundlichem Lächeln den meist weiblichen Besuchern zurückgibt.
© Petra Grond, erschienen in der Passauer Neuen Presse am 03.02.2020