„Szenen keiner Ehe“ in Wasserburg
Interview mit Marie Theres Relin zur Signierstunde am kommenden Samstag
Es ist der Wunsch von Franz Xaver Kroetz, noch einmal mit seiner Ex-Frau einige Wochen auf Teneriffa zu verbringen, wo sie lange zusammen gelebt haben. Marie Theres Relin willigt ein. Und sie vereinbaren, dass beide getrennt aufschreiben, was ihnen in diesen zwei Monaten durch den Kopf geht.
Vernarbte Wunden beginnen wieder zu jucken, alte Zuneigung erwacht. Sie kämpft mit Rückschlägen als Schauspielerin und hat Existenzsorgen, er plagt sich mit dem Alter und als Dramatiker, schafft es aber, eine grandiose Figur zu entwickeln: „Ich“. So stark, so beklemmend, so kurzweilig wurde lange nicht über die Paarbeziehung nachgedacht und geschrieben. Man weiß nicht, wie es weitergeht mit den beiden, aber die Texte bleiben für immer miteinander verbunden.
Die Wasserburger Stimme hat Marie Theres Relin in einem Interview zu den Beweggründen zum Buch befragt:
Wie kam Ihnen die Idee zu diesem, doch sehr außergewöhnlichen, Buch?
Franz wollte seinen alten Mercedes E 190, mittlerweile ein Oldtimer, von Teneriffa nach Deutschland holen. Unsere Kinder, alle an Schulzeiten gebunden (zwei als Lehrer, eine als Mutter), konnten ihn nicht begleiten. Da ich gerade nichts anderes zu tun hatte, bot ich mich an, die Reise mit ihm zu machen. Am ersten Abend in der Küche meines Häuschens fiel mir der Titel ein. „Lass uns die Zeit nützen und ,Szenen keiner Ehe‘ schreiben“, sagte ich zu ihm.
Ihm gefiel die Idee, unter folgenden Bedienungen: Jeder schreibt täglich eine Seite, egal ob ihm / ihr was einfällt. Wir nehmen keinen Einfluss auf das Geschriebene des anderen. Wir schicken unser Manuskript separat an den Verlag. So schrieben wir täglich. Dass aus der Reise neuneinhalb Wochen wurden, haben wir dem Mechaniker zu verdanken, der so lange brauchte, den Wagen fahrtüchtig zu machen.
Sie waren in Teneriffa, als Ex-Partner, doch längere Zeit zusammen am selben Ort. Haben Sie die Buchidee irgendwann bereut?
Das Buch hätte man nie planen können. Es ist gewachsen. Wir hatten nur die Disziplin, die Reise und uns. Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass wir auf der Bestseller-Liste landen, ich hätte ihm den Vogel gezeigt. Das Buch ist eine authentische Zeitreise zweier Autoren.
Wie war es für Sie, den jeweiligen Teil des Ex-Partners zu lesen? Waren die Sichtweisen sehr verschieden?
Als ich sein Manuskript das erste Mal las, hatte ich zeitweise etwas Schnappatmung. Wer liest schon gern über die eigenen Schwächen aus der Feder des Ex? Aber als ich beide Manuskripte im Wechsel las, wusste ich, es funktioniert. Und, ich glaube, genau das verschafft uns die große Leserschaft: wir schreiben das, was andere Paare (still und heimlich) von einander denken.
Was war die größte Herausforderung an diesem Buchprojekt?
Mein Manuskript an den Verlag abzusenden. Ich wusste ja, was ich geschrieben hatte. Und mir war mulmig. Als dann dtv eine große Begeisterung an den Tag legte, wollte er meinen Text lesen und umgekehrt, ich seinen. Er schrieb mir nach der Lektüre eine sehr liebevolle SMS, in dem er meine Radikalität und Mut hervorhob und mir gratulierte „Du hast deinen Stil gefunden! Ich finde das toll!“ Ich bin zur Kollegin mutiert.
Würden Sie so ein Projekt oder eine gemeinsame Reise noch einmal machen oder bleibt es einmalig?
Da muss ich mal darüber nachdenken. Vielleicht „Neue Szenen keiner Ehe“? Aber dann bitte in ein anderes Land. Ich lebe von Tag zu Tag und lasse mich überraschen, was noch alles auf mich zukommt.
Welches sind Ihre Lieblingskapitel im Buch?
Die Kapitel, die noch nicht geschrieben sind. Ich hab einige spannende Buch-Ideen.
Frau Relin, Sie leben mittlerweile wieder in Wasserburg. Welche Roll spielt diese Stadt in Ihrem Leben?
Wasserburg ist meine Kindheit, Vergangenheit und Gegenwart. Ich bin hier aufgewachsen, hab mich im Gymnasium gequält, hab mich nach kurzer intensiver Karriere in den Kroetz verliebt, hab nach Altenmarkt geheiratet, nach der Scheidung bin ich nach Trostberg gezogen und bin vor 5 Jahren wieder nach Wasserburg zu meinen Wurzeln zurück. Heute nehme ich diese Stadt anders wahr. Und meine kleine Wohnung lässt mich kreativ sein. Man schreibt nicht überall. In Wasserburg „funzt’s“.
TANJA GEIDOBLER / MARIE THERES RELIN
Paarfotos @ Karin Rocholl
Erschienen in der Wasserburger Stimme am 30.10.2023
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